Der Dachs und der Jurtenboden

Schon wieder umgezogen ist der Dachs. Vor einigen Monaten musste er zwischenzeitlich den gewohnten Bau Nahe des großen Holzstoßes verlassen.
Unangenehme Bautätigkeiten mit ihrer leider allzubekannten Geräuschkulisse, gemischt mit aufgeregtem Stimmengewirr, ließen nur noch wenig Erholung und ausreichende schläfrige Ruhephasen im Bau zu. Nachdem also Unausgeschlafenheit einige Zeit zum Dauerzustand wurde, und jetzt sogar manchmal früh morgens und abends weit nach der Dämmerstunde Menschenfüße aus dem Guckloch seines Baus sichtbar waren, die den routinierten Zeitplan der allnächtlichen Runde störten – denn der Dachs wartete stets bis die Menschenfüße sich entfernt hatten um seinen hungrigen Bauch durch den Ausgang seines Baus zu schieben – reichte es ihm schließlich!
Verärgert zog er um. Murrend verabschiedete er sich von dem Maderpaar, das nur einige Baumstämme weiter rechts ihre Wohnung bezogen hatte, und zog von Dannen.


Seine Neugierde trieb ihn aber immer wieder in die alte Wohngegend im Bezirk Holzstoß. Den kleinen Umweg nahm er manchesmal am Heimweg zu seinem neuen Bau in einem benachbarten Bezirk. Er war nicht erfreut über das was er sah! Die Menschenfüße mit den nervigen Stimmen hatten den Holzstoß abgetragen, umgeschlichtet, unter der großen Buche Löcher und Rinnen gegraben. Aus den Löchern ragten fest verankerte Eisenstäbe, in den Rinnen wurden Kabel geführt, also alles zerstört was vorher so ein friedliches Dachsrevier war. „Gut, zumindest um die Kabel werden sich die Marder schon kümmern..“ brummte er schadenfroh in sich hinein.


Er wollte längere Zeit den Ort nicht mehr besuchen. Auch sein Freund Herbert, der Fuchs mit dem dünnen Schwanz, der früher öfters mal zu einem kleinen Schwätzchen vorbeikam, mied die Gegend einstweilen.

Einzig erfreut schien das Amselpärchen Alberich und Sieglinde, die ihre Freude daran hatten, daß die Menschenfüße durch die Grabungen ihnen die frischen Würmer quasi am Erdhaufen servierten.


Die beiden waren es auch, die es den drei Raben von der mittleren Eiche erzählten. Diese wiederum krächzten es dem Eichelhehr am Nussbaum zu, und der ist bekanntermaßen ein Plappermaul, also wussten es dann alle. Nämlich, daß die Menschenfüße einen Superbau gemacht hatten. Auch die Eichhörnchen bestätigten dem Dachs dieses Gerücht.


Er schmollte zwar eigentlich noch, aber trotzdem konnte er nicht davon ablassen, eines nachts wieder den Umweg in den Bezirk Holzstoß zu nehmen.
„Wow!“ entkam es ihm. Er nahm den Bretterboden in Augenschein, der genau den richtigen Abstand zum Boden hatte, so daß man als normalgroßer Dachs gemütlich hineinschlüpfen konnte. Der Holzstoß war auch wieder da, nicht an seinem vorherigen Platz, etwas weiter in südöstliche Richtung hatten die Menschenfüße ihn geschleppt, „auch ok“ dachte er. Die Marder hatten sich dort schon wieder eingenistet, recht unbeeindruckt von dem Platzwechsel. Von ihnen erfuhr er, daß der Baugrund unter dem Bretterboden noch frei war. Es hatten ihn zwar schon einige Interessenten in Augenschein genommen, aber noch niemand hatte die endgültige Markierung zur Reviersicherung vorgenommen.
In der selben Nacht begann der Dachs noch mit den Vorarbeiten zu seinem neuen Bau unter den Brettern. Fest entschlossen sich unter dem feinen Holzdach einzurichten.
Diesem Entschluß blieb er treu. Diesmal ließ er sich nicht mehr vertreiben. Auch wenn die Menschenfüße, einzelne Bretter, die ihm doch an manchen Ein- und Ausgängen zu tief gebaut schienen, und die er mit großer Anstrengung aus ihrer Verankerung trieb, wodurch er sich mehr Rückenfreiheit versprach, wieder mit schwerem Gerät unten monierten. „Diesmal nicht!“ sagte er sich, „Menschenfüße hin oder her, den Bau für mich haben sie gut hinbekommen, und die Änderungen werde ich schon noch durchsetzen.“

So bietet nun der Bretterboden der Jurte einen guten Grund, dem Dachs ein gutes Dach. Allerdings wird über die baulichen Veränderungswünsche vermutlich noch länger keine Einigkeit herrschen…