Der Dachs und seine große Klappe

Der Dachs hat es sich nun unter dem Jurtenboden, der aus festem Lerchenholz gebaut wurde gut eingerichtet. Mehrere gemütliche Wohnräume und sogar einen kleinen Lagerraum für die diversen Schätze die er auf seinen nächtlichen Streifzügen fand, hatte er in sorgfältiger Arbeit gestaltet und dachsisch eingerichtet. In entgegengesetzter Richtung zum Eingang der Jurte den die Menschenfüße gewählt hatten, erwählte er den Eingang zu seinem noblen Bau.

Er war zufrieden und mächtig stolz darauf den Jurtenplatz sein Eigen zu nennen.

Nachts zog er im heimatlichen Bezirk Holzstoß umher, hielt Hof am Vorplatz seines Baus, empfing dort Besuche von seinem Freund Herbert, dem Fuchs mit dem dünnen Schwanz,

 

und tauschte mit dem benachbarten Marderpaar,

 

 

den Eichkätzchen

 

 

und den drei Raben, die in der Krone der großen Eichen am Rande des Jurtenplatzes ihre Heimstatt errichtet hatten,

 

in den Dämmerstunden Neuigkeiten darüber aus, was sich rund um die Jurte so ereignete.

 

Einzig die Uneinsichtigkeit der Menschenfüße, seine mehrfach vorgenommenen Veränderungen an der Befestigung der schweren Lerchenbretter des Jurtenbodens, mit scheinbar unaufweichlicher Sturheit immer wieder rückgängig zu machen, ärgerte ihn.

Denn, einzelne Bretter hatte er wohlüberlegt auserkoren um sie praktischerweise beweglich zu machen. So erschien ihm nicht nur der Ein- und Ausstieg zu seinem Bau eleganter, auch einen Einstieg in den Innenraum der Jurte wollte er so erringen.

Schwer von Begriff schienen ihm die Menschenfüße. Es erweckte gar den Anschein, dass sie absichtlich den Innenraum der Jurte die im oberen Stock des Dachsreviers entstanden war, so verschlossen, dass es dem Dachs unmöglich war einzutreten.

Diesen Ausschluss empfand er ungerecht. Auch er ging doch allerhand Kompromisse ein, zeigte Entgegenkommen und Verständnis für all das was die Menschenfüße im Oberstock so aufführten: es wurde laut gelacht, getrampelt, gesungen, gewerkt und vielerlei Geschichten erzählt.

Gerne erlebte er das mit. Sogar fürsorgliche Nachbarschaftshilfe brachte er selbstlos den Menschenfüßen entgegen. Er teilte bereitwillig seine Mahlzeiten, legte öfters einen gewissen Anteil seines Abendessens den Menschenfüßen vor die Jurtentüre, der nur achtlos demütigend verschmäht wurde, klopfte unten an den Boden um höfliche Gastfreundschaft zu erhalten.
Nichts.
Die Menschenfüße schienen schwer von Begriff zu sein.
Auch seine eher unsanften Versuche sein Recht auf den Jurteninnenraum durchzusetzen, blieben unverstanden. Zum Beispiel, als er wiederholt die schweren Steine, die zur Befestigung am Außenrand aufgeschichtet waren beiseite schleppte, an Seilen zog und mit meisterhaftem Geschick so manchen tückischen Knoten löste oder mit vollem Körpereinsatz an Tür und sonstiger eventueller Eingangsmöglichkeit zog und zerrte.
Nichts.
Die Menschenfüße schienen schlicht dumm, und lange traf sein reges Bemühen auf stummes Unverständnis.

 

Eines Tages jedoch, er hatte den Glauben an die Fähigkeit zur Einsicht der Menschenfüße schon gänzlich verloren, da hörte er es im Oberstock werken. Säge und Hammer erkannte er schon beim ersten Anschlag.

Seinem neugierigen Wesen entsprechend konnte er nicht umhin einen kurzen Blick nach oben zu werfen. Erstaunen war in seinen weichen dunklen Dachsaugen zu lesen, als er die Öffnung am Jurtenboden erspähte!

Mitten im bislang fest verschlossenen Brettergefüge, das unnachgiebig den Jurtenraum bewachte, erblickte er nun durch die geheime Öffnung eines prächtigen Tores, die Innenwelt des rundes Raumes.


Mit Sorgfalt und überlegt war das Tor gezimmert. Von beiden Seiten verschließbar. Das gefiel ihm, denn auf die Wahrung seiner Privatsphäre legte er großen Wert.

Eine Klappe die zum Eintritt einlud! Anfangs noch ungläubig dann voll Freude, schier im Siegestaumel nahm er sie in Augenschein.

Den anderen im Bezirk Holzstoß wollte er einstweilen noch nichts von dem Geheimnis, dass er mit den Menschenfüßen jetzt teilte, erzählen. „Es ist ja schließlich eindeutig eine Dachsklappe, keine Jedermannsklappe, soviel steht fest!“